«Man muss die Leute mitreissen, dann klappts»
«Man muss die Leute mitreissen, dann klappts»
Immer mehr Städte und Gemeinden ersetzen im öffentlichen Raum Abfallkübel durch Recyclingstationen – doch noch immer zögern viele. Das müsse nicht sein, sagt Christian Fricker, Fachspezialist Bahnhofmanagement bei der SBB AG, im Interview, denn das System funktioniere bestens.
PETflash: Herr Fricker, seit fünf Jahren verfügen die SBB an vielen Bahnhöfen über Recyclingstationen, bei denen nicht nur Abfall entsorgt, sondern auch PET-Getränkeflaschen, Papier und Aludosen gesammelt werden können. Wie ist es dazu gekommen?
Christian Fricker: Angefangen hat alles 2012 mit einer Anti-Littering- Kampagne. Damit war ich allerdings nicht zufrieden, weil es mir zu wenig nachhaltig war. Ich habe darauf ein Konzept erarbeitet, das relativ schnell durch die Geschäftsleitung ging, sodass wir zwei Monate später in Bern bereits einen ersten Test mit Recyclingstationen durchführen konnten. Dieser hat bestens funktioniert, was 2014 zu einer schweizweiten Umsetzung führte.
Die SBB sind damit Pioniere in der Umsetzung von Recyclingstationen im öffentlichen Raum. Was ist Ihr Fazit nach fünf Jahren?
Zu Beginn haben nicht viele Leute daran geglaubt. Ich solle die Finger davon lassen, hiess es immer wieder. Die letzten fünf Jahre haben aber gezeigt, dass in der Bevölkerung ein grosses Bedürfnis nach Recycling im öffentlichen Raum besteht. Ich bin wirklich sehr glücklich und stolz, dass das so gut ankommt.
Welches sind die grössten Herausforderungen mit den mittlerweile über 1400 Sammelstellen?
Die Logistik stellte uns vor die grössten Herausforderungen. Eine Frage war, wie wir das Sammelgut von den Standorten – oft zwischen den Gleisen – wegbringen. Anderseits ging es darum, wo wir es an den Bahnhöfen zwischenlagern, bevor es von Partnerunternehmen abgeholt und ins Recycling gebracht wird.

Wie sieht es mit Fehleinwürfen aus?
Wir haben bei den Fraktionen eine Reinheitsquote von 90 bis 95 Prozent. Die Einwürfe sind also fast sauber. Aber auch wir haben gewisse wiederkehrende Herausforderungen: zum Beispiel die Schokodrink-Plastikflaschen, die im PET landen. Oder die beschichteten Pappbecher, die eben nichts in der Papiersammlung zu suchen haben. Um es für die Nutzerinnen und Nutzer einfacher zu machen, haben wir überall dieselbe Reihenfolge bei den Fraktionen.
Welchen Einfluss hatte die Einführung von Recyclingstationen auf das Littering – an den Bahnhöfen und in den Zügen?
Das ist schwer zu messen, vor allem auch, weil sich die Frequenzen in den letzten fünf Jahren stark erhöht haben. Ich würde sagen, dass wir uns beim Littering etwa im selben Bereich bewegen wie damals. Interessant ist aber, dass wir in den Zügen 30 Prozent weniger Abfälle haben, weil die Leute wissen, dass sie an den Bahnhöfen vieles getrennt einwerfen können.
Einige Städte und Gemeinden sind Ihrem Vorbild gefolgt, andere sind skeptisch. Warum wird an vielen Orten noch am Recycling im öffentlichen Raum gezweifelt?
Die Befürchtung, dass das getrennte Sammeln im öffentlichen Raum nicht funktioniert, weil die Sozialkontrolle fehlt, kann ich bis zu einem gewissen Grad verstehen. Tatsächlich funktionieren Recyclingstationen nicht überall in einer Gemeinde. Aber in jedem Dorf, in jeder Stadt gibt es genügend Standorte, an denen dies bestens geht und sich die Leute daran halten. Immer wieder höre ich auch, dass man keine geeigneten Fahrzeuge für den Transport der getrennten Fraktionen habe. Auch das mag stimmen, aber eine solche Anfangsinvestition lohnt sich immer. Zudem verfügen praktisch alle Gemeinden bereits heute über eine Grundinfrastruktur für das getrennte Sammeln, zum Beispiel mit Werkhöfen. Wird ein solches System eingeführt, zeigt sich schnell, dass es funktioniert – das Ganze ist wirklich simpel. Wir werden immer wieder von Gemeinden zu unseren Erfahrungen angefragt und um Ratschläge gebeten. Unsere Erfahrung zeigt: man muss die Leute mitreissen, dann klappt’s.

Müsste das System SBB nicht einfach überall im öffentlichen Raum in der Schweiz umgesetzt werden?
Ob das unser oder ein anderes System ist, macht keinen grossen Unterschied. Wichtig ist, dass es getan wird. Aber es ist schon so: Je einheitlicher ein System ist, desto besser sind die Resultate. Es gibt sehr viele Orte, wo sich Recyclingstationen eignen: neben den Bahnhöfen auch an weiteren ÖV-Haltestellen oder eben in Gemeinden.
Ein solches Projekt hört vermutlich auch bei den SBB nie auf – wie geht es bei Ihnen diesbezüglich in Zukunft weiter?
Ich habe einmal gesagt, dass es mit dem letzten Bahnhof aufhören wird. Wir haben noch 4500 herkömmliche Abfalleimer im Einsatz, es besteht da also noch viel Potenzial, um diese mit Recyclingstationen zu ersetzen. Bis 2021 hätte ich am liebsten eine Verdoppelung der heute 1400 Standorte. Und natürlich gibt es weitere Ideen, wie wir unsere Bahnhöfe noch attraktiver machen können.