Der Abfall kommt immer zurück, so gut und so sehr ihn die Menschen auch loswerden wollen. Im Endlager unter der Erde oder im Orbit rund um den Planeten, er fliegt einem immer wieder um die Ohren. Das und mehr ist eindrücklich zu erleben im «Sektor 1» von Karl’s kühner Gassenschau.

Alles war etwas anders geplant. Die Abfallsäcke wurden ordentlich gesammelt und in den Orbit geschossen. Aber die Physik, die Erde, das Schicksal oder was auch immer haben den Menschen einen Strich durch die saubere Rechnung gemacht. Die Abfallsäcke fallen wie viele ausgediente Satelliten wieder zurück auf die Erde – nur dass sie nicht verglühen. Zurück zum Start sozusagen und definitiv ohne die gewünschte permanente Lösung. Die Menschen bleiben darauf hocken. Und sie singen dazu, in einer postapokalyptischen Alptraumkulisse.

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Zurück in die Zukunft: mit einer Zeitmaschine dem Abfall entkommen?

Abfall als Sinnbild

In «Sektor 1», dem aktuellen Stück (und der gleichnamigen fiktiven Parkanlage) von Karl’s kühner Gassenschau ist der Abfall der eigentliche Hauptdarsteller – lästig und bedrohlich. Der Abfall als Sinnbild der Gesellschaft sei von Anfang an bei der Entwicklung des Stücks im Vordergrund gewesen, erzählen Paul Weilenmann und Brigitt Maag, zwei der Gründungsmitglieder der längst legendären Theatertruppe. «Besonders eindrücklich war für mich dabei der Besuch in Kölliken», erinnert sich Maag, «oder etwa eine Ausstellung über die Lagerung radioaktiver Abfälle in Schaffhausen.» Beides habe gezeigt, dass «aus den Augen, aus dem Sinn» eben keine Lösung sei, sondern sich als wahrer Bumerang entpuppe.

Im Stück wird dies immer wieder auf erdrückende Art und Weise deutlich. Robotermenschen kümmern sich in der Teletubbie-ähnlichen Parkanlage namens «Sektor 1» um die so sehnlichst erwünschte Sauberkeit, indem sie menschliche Umweltsünder als Putzequipen durch das sterile Grün jagen – immer nett und freundlich, so lange niemand Widerstand leistet. Menschen, die sich in der Abfall-verseuchten Restwelt ganz besonders gut verhalten, bekommen einen Tag im «Sektor 1» geschenkt und dürfen sich hier im Grünen nach Lust und Laune erholen. Um sich auch äusserlich als sauber zu zeigen, sind sie wie die Robotermenschen ganz in reinliches Weiss gekleidet. Sollten sich diese Park-Besucher jedoch erdreisten, aus dem Affekt heraus gegen die Verhaltensregeln zu verstossen, finden sie sich sofort selbst in der Putzequipe wieder und haben ihren Öko-Bonus verspielt.

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Vollbad im Plastik: Brigitt Maag und Paul Weilenmann im Abfall-Rausch.

Über das eigene Verhalten nachdenken

Als moralistisches Stück wollen Brigitt Maag und Paul Weilenmann «Sektor 1» allerdings nicht sehen: «Das Publikum soll sich unterhalten, aber durchaus über die Thematik nachdenken, darüber sprechen und das eigene Verhalten überprüfen.» Vor allem aber sollen auch die positiven Aspekte des Menschseins hervorgehoben werden, so Weilenmann: «Mit Phantasie, Leidenschaft und Teamgeist schafft es der Mensch ja immer wieder, Lösungen zu finden. » Und trotzdem, so Brigitt Maag, «fängt es immer beim Einzelnen an – das geht uns selbst ja auch so.» Und darum setzt Karl´s kühne Gassenschau auch bei der Produktion auf Nachhaltigkeit, wie Brigitt Maag anfügt: «Ob beim Essensangebot, bei den Produkten in unserem Shop, bei den verwendeten Materialien auf dem ganzen Areal – wir versuchen so viel wie möglich zu tun, um Abfälle zu vermeiden, Ressourcen zu schonen oder Dinge wiederzuverwerten.» Und dabei entstehen auch neben der Bühne wahre Kunstwerke: zum Beispiel die überdimensionalen «Sektor 1»-Leuchtbuchstaben, die aus unzähligen leeren PET-Getränkeflaschen gebaut sind.

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Leere PET-Getränkeflaschen als leuchtendes Beispiel für attraktives Recycling

Der «Sektor 1» ist offen für Besuche

Noch bis im Spätsommer kann der «Sektor 1» von Karl´s kühner Gassenschau in Winterthur besucht werden. Seit der Gründung im Jahr 1984 hat Karl´s kühne Gassenschau 22 verschiedene Programme aufgeführt, darunter Publikumsrenner wie «Fabrikk» oder «Silo 8». An rund 2000 Vorstellungen haben sie bis heute über eine Million Zuschauerinnen und Zuschauer zum Staunen, Lachen und Nachdenken gebracht.