Gemischte Plastiksammlungen unter Beschuss
Die Gefahr besteht, dass sich die Schweiz beim Recycling von der Klasse zur Masse hinbewegt und Quantität statt Qualität gefördert wird. Das zeigt sich deutlich bei der Sammlung von gemischtem Kunststoff. Im Moment herrschen hier Wildwuchs und Chaos. Empfehlungen von Bund und Fachverbänden der Kantone und Gemeinden sollen Abhilfe schaffen.
Das Thema Kunststoffrecycling wird in der Fachwelt und in der Bevölkerung kontrovers diskutiert. Wer die Mengen in seinem Abfallsack sieht, kann fast nicht glauben, dass Recycling hier nicht sinnvoll sein soll. Doch Plastik ist nicht gleich Plastik, die Unterschiede sind chemisch und physikalisch so gross, dass gemischte Kunststoffe nicht zusammen wiederverwertet werden können.
Studien schaffen Klarheit
Im vergangenen Jahr wurden viele Erkenntnisse in Sachen Plastikrecycling gewonnen. Das Wichtigste in Kürze: Unter dem Strich hat die gemischte Sammlung von Kunststoffabfällen aus dem Haushalt bei hohen Kosten einen nur geringen ökologischen Nutzen. So das Fazit der Studie «KuRVe – Kunststoff Recycling und Verwertung », die von Bund, acht Kantonen, der Organisation Kommunale Infrastruktur und verschiedenen Recycling- Fachverbänden in Auftrag gegeben wurde. Nur 25 bis 35 Prozent der gesammelten Kunststoffabfälle können einem hochwertigen Recycling zugeführt werden. Der Rest wird nach aufwendiger Sammlung und Sortierung in Zementwerken verbrannt.
Professor Rainer Bunge von der Hochschule Rapperswil, Co-Autor der Studie «KuRVe», zieht eine ernüchternde Bilanz: «Der ökologische Nutzen einer schweizweiten, flächendeckenden Sammlung aller Plastikverpackungen hat denselben Effekt, wie wenn ich pro Jahr auf 30 Kilometer Autofahren verzichte oder ein Grillsteak weniger esse.»
Unbestritten ist von den Fachleuten nur, dass die sortenreine separate Sammlung von PET-Getränkeflaschen sinnvoll ist und unbedingt beibehalten werden soll. Dies ist auch die offizielle Haltung des Bundesamts für Umwelt und der Kantone.

«Recycling-Bluff» durch «Kassensturz » aufgedeckt
Einige Kunststoffsammler werben mit sehr hohen Verwertungsquoten. Besonders dreist und vom «Kassensturz » entlarvt war die Behauptung eines Anbieters, dass 80 Prozent des Sammelgutes rezykliert würden. Gemäss Angaben des Verwerters waren es im konkreten Fall nur 50 Prozent. Ebenfalls eine Erkenntnis des «Kassensturzes » ist, dass der Plastikmüll weite Wege macht und auf den Lagerplätzen lange unbearbeitet liegen bleibt. Vielfach gelangt die sortierte Ware ins Ausland, wo man nicht genau weiss, was mit ihr passiert.
Altkunststoffe landeten bisher häufig in China. Seit dem Importstopp ist der weltweite Markt für Rezyklate aber eingebrochen. Nachfrage gibt es nur noch für Rezyklate höchster Qualität. Professor Rainer Bunge: «Es gibt einen massiven Rückstau aus China. Sie wollen den dreckigen Kunststoff, den wir Europäer dorthin gebracht haben, nicht mehr. Im Moment ‹ersäuft› die Eurozone in billigem, dreckigen Kunststoff. Das koppelt auch auf den Schweizer Markt zurück.» Sicher wird es deshalb auch aufseiten der Abnehmer für gemischte Kunststoffe zu Reaktionen kommen. Wie ihre europäischen Mitbewerber wollen auch sie nicht auf der Ware sitzen bleiben und für schlechte Qualität Zuzahlungen leisten.
Gemeinsame Empfehlungen gegen den Wildwuchs
Die gleichen Kreise, die hinter der Studie KuRVe stehen, haben erkannt, dass es unmöglich so weitergehen kann. Sie haben jetzt gemeinsame Empfehlungen formuliert: Ziel soll eine stoffliche Recyclingquote von 70 Prozent sein, das heisst Klasse statt Masse und keine Sammlungen für die Verbrennung. Private Recycler benötigen eine Konzession, denn das Abfallmonopol liegt bei den Kantonen, respektive delegiert bei den Gemeinden. Transport-, Verwertungs- und Entsorgungswege wie auch die Finanzierung sollen transparent sein.
Auch wenn diese Fachvertretungen grundsätzlich skeptisch gegenüber gemischten Kunststoffsammlungen sind, da der stofflich hochwertig verwertbare Anteil des Sammelgutes tief ist, begrüssen sie diese Empfehlungen. Den Gemeinden werden so Richtlinien gegeben, wie sie dem Bedürfnis der Bevölkerung, gemischten Kunststoff zu sammeln, nachkommen können, ohne erfolgreiche und anerkannte Sammelsysteme zu schädigen. Ein wichtiges Element, besonders bei den Kosten, ist das Verursacherprinzip: Wer sammeln will, soll die Kosten dafür tragen.
Mit diesen Empfehlungen zur gemischten Kunststoffsammlung von höchsten Stellen wurde ein erster Schritt gemacht, den auch PET-Recycling Schweiz begrüsst. Entscheidend ist, wie die Kantone, welche hier in der Verantwortung stehen, diese Anregungen durchsetzen und vertiefen.